Ketone – das neue Wundermittel im Bereich der Energieversorgung?

Ketone, Ketonkörper, Ketose, ketogene Ernährung – alles Begriffe, die in den letzten Monaten in Sportlerkreisen für Diskussionen sorgten. Sind Ketone das neue Wundermittel im Bereich der Energieversorgung?
Manche sprechen sogar vom vierten Energielieferanten! Was steckt dahinter?

Mag. Gerald Will, Sportwissenschaftler und Geschäftsführer von DerSportcoach.com – Institut für Trainingssteuerung und Leistungsdiagnose wirft für uns einen genaueren Blick darauf.

Was sind Ketone und wie wirken sie wirklich?

Zunächst gilt es einmal, den Begriff „Ketone“ zu erklären und die physiologische Bedeutung von Ketonen zu beschreiben. Was sind also Ketone?

Dazu ist ein Blick in unseren Energiestoffwechsel notwendig.

Wenn unserem Organismus nicht genügend Kohlenhydrate (= Glukose) für die Energiegewinnung zur Verfügung stehen und die Glykogenvorräte (Glykogen ist die in den Zellen gespeicherten Glukose) erschöpft sind, greift unser Körper auf eine andere Treibstoffquelle zurück. Es wird vermehrt Fett verbrannt.

Dieser Vorgang tritt nach längerer körperlicher Anstrengung, bei einer kohlenhydratarmen Ernährung (= ketogene Ernährung) oder beim Fasten ein. Wenn der Organismus beginnt, Fette zur Energiegewinnung abzubauen, werden Ketone (= Ketonkörper) gebildet, die quasi als Ersatzkohlenhydrate zur Energiegewinnung dienen.

Diesen Prozess bezeichnet man als Ketose. Bei der ketogenen Ernährung reduziert man bewusst die Kohlenhydrataufnahme, um Ketone für die Energiegewinnung zu produzieren.

Man verspricht sich davon Vorteile, wie Gewichtsreduktion, Senkung des Blutdrucks und einen erhöhten Wachheitszustand.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Ketone vom Körper quasi als Energielieferant bei Glukosemangel produziert werden.

Helfen Ketone wirklich die Leistungsfähigkeit im Ausdauersport zu verbessern?

Jetzt liegt der Schluss nahe, dass man, wenn man Ketone künstlich produziert und dem Organismus zuführt, die Leistungsfähigkeit vor allem im Ausdauersport steigern kann.

Die Ausdauerleistungsfähigkeit, vor allem bei langen Wettkampfdistanzen, hängt sehr stark von der Energiezufuhr ab. Daher wäre es ein genialer Schachzug quasi einen neuen Energielieferanten ins Spiel zu bringen, zumal es ja bekannt ist, dass unser Organismus, was die Transportmöglichkeiten von Kohlenhydraten zwischen Verdauungsapparat und Blutkreislauf anbelangt, limitiert ist.

Einsatz von Ketone im Radsport – bis zur Tour de France

Dieser ernährungsphysiologische, nennen wir ihn mal Trick, gelangte bei der heurigen Tour de France bei einigen Teams zur Anwendung und sollte den entscheidenden Vorteil bringen. Manche Teams bekannten sich offen zum Einsatz von Ketonen, da es sich nach momentaner Definition, solange sie oral und nicht intravenös verabreicht werden, um Nahrungsergänzungsmittel und nicht um Doping handelt.

Andere Teams wiederum erklärten, aufgrund der nicht restlos geklärten Vorteile und eventueller Nebeneffekte auf den Einsatz von Ketonen zu verzichten.

Probleme mit der Verträglichkeit von Ketonen

Ketone als einfach anzuwendender zusätzlicher Energielieferant, quasi der legale Power-Drink aus der Radflasche – das wäre die Lösung für die Kohlehydratsubstitutionsproblematik bei Langdistanzausdauerbewerben. Allerdings zeigen aktuelle Studien, dass der Konsum von künstlich hergestellten Ketonen Magen-Darm-Probleme bewirken kann.

Meiner Meinung befindet sich der Forschungsstand im Bereich der Ketonsubstitution erst im Anfangsstadium. Es gibt Untersuchungen, die bei Verabreichung von Ketonen von einer Leistungssteigerung von 15% sprechen (Prof. Peter Hespel / Universität Leuven Belgien).

In einer anderen Untersuchung wiederum (Prof. Louise Burke / Australien Institute of Sport), schnitt die Gruppe, die Ketone verabreicht bekam, aufgrund von Magen-Darm-Problemen sogar schlechter ab als die Placebogruppe.

Sind Ketonpräparate empfehlenswert oder überwiegen die Nebenwirkungen?

Ketonpräparate sind bereits am US-amerikanischen Markt abgefüllt in kleinen 25-ml-Flaschen im Handel erhältlich – allerdings nicht ganz billig (25 ml kosten umgerechnet ca. 30 Euro und reichen für eine Anwendung).

Mir erscheint es allerdings wesentlich zu früh, sich auf dieses Experiment einzulassen, zumal eventuelle gesundheitliche Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen werden können.